Für mich ist sehr wichtig, dass ich über meine Erkrankung rede und schreibe. Es gibt keinen Grund sich für eine Erkrankung zu schämen. Krankheit gehört für mich zum Leben dazu. Kranksein bedeutet nicht, dass das Leben ab dem Zeitpunkt der Diagnose vorbei ist, sondern das mein Leben eine neue Qualität bekommen kann. Wie aber kann dies gelingen?
Diagnose unheilbar krank, bedeutet nicht das das Leben zu ende ist. Die Botschaft lautet eher: Es beginnt ein neuer Abschnitt.
Ich bin 54 Jahre alt und seit 20 Jahren an einer chronischen Darmentzündung erkrankt. Die CED-Medikamente haben meine Nieren beschädigt, so dass ich seit meinem 43 Lebensjahr Dialysepatient bin. Details meiner Erkrankungsgeschichte erspare ich an dieser Stelle meinen Lesern.
Mehr dazu finden sie in diesem Blog im Verlauf der Jahre. Die Bilder unten verlinken auf meine Artikel:
Die Dialyse war, aus meiner Sicht, ein großes Glück für mich. Die schwierigen Zeiten hätte ich ohne die Behandlungen mit Dialyse, die Begleitung durch Ärzte und den Kontakt zu anderen Erkrankten nicht überstanden. Na klar, habe ich durch das Nierenversagen auch Nachteile. Besonders am Anfang habe ich fürchterlich gelitten. Aber nach und nach wurde die Dialyse zur Lösung meines gesundheitlichen Problems. Auch hier ist für mich entscheidend, den richtigen Blickwinkel einzunehmen und die eigene Wahrnehmung zu schärfen. Es gibt wie bei Vielem, gute und schlechte Seiten. Und es gilt beide anzuerkennen und die neuen Möglichkeiten auszuloten. Mit dem Schritt die Situation so anzunehmen, wie sie ist, beginnt der Prozeß der Heilung.
Als mir klar wurde, dass ich bis zum Ende meines Lebens dafür sorgen muß, meine nicht richtig funktionierenden Nieren zu ersetzen, habe mehrere Ansätze gemacht, meine Dialysebehandlung besser mit Arbeit und Familienleben zu vereinbaren. Heilung bedeutet für mich, das beste aus der gegenwärtigen Situation zu machen. Heimdialyse war mit den kleinen Kindern nicht vorstellbar und die Nachtdialyse war für mich persönlich ein Horror, weil ich nicht schlafen konnte. Für die Peritonealdialyse war ich wegen der Entzündung im Bauchraum nicht geeignet. Das Konzept der zentralisierten Heimhämodialyse (zHHD) hat sich für mich schließlich als best geeignet herausgestellt. Ich habe mich etwa 5 Jahre lang selbst mit zHHD behandelt. Die Aussicht irgendwann, wenn es passt, zuhause zu dialysieren hat mich dabei geleitet und ich bin inzwischen „mit allen Wassern“ gewaschen. Seit ich mich selbst punktiere, habe ich ganz selten Fehlpunktionen und die Behandlungen laufen ohne Probleme. Ein Glück!
Fazit: Es gibt nicht das „beste Verfahren“ die „beste Behandlungsmöglichkeit“. Vielmehr muß jeder Kranke die für sich und sein individuelles Leben best geeignete Lösung(en) finden. Das kann einem der Arzt nicht abnehmen! Ärzte beraten, der Patient trifft Enscheidungen, nicht anders herum! Oder vielmehr hole ich mir fachliche Unterstützung, damit ich verstehe was in meinem Körper passiert. Auch die Fachinformationen über die Patientenvereinigungen sind sehr hilfreich. Die Entscheidung für oder gegen eine Therapie oder Behandlung treffe letztlich ich selbst. Und dies ist auch eine innere Haltung in Bezug auf meine Erkrankung. Ich übernehme Verantwortung für mich. Auch dies ein Hinweis auf Heilung. Ich grenze Heilung von dem Zustand des gesund seins ab. Heilung ist nicht Abwesenheit von Erkrankung, sondern Bewältigung der gegenwärtigen Situation.
Verantwortung für sich selbst übernehmen!
Fragen, warum die Erkrankung zu mir kam, habe ich am Anfang oft gestellt. Inzwischen beschäftige ich mich mehr mit der augenblicklichen Situation. Mein Jetzt ist entscheidend. Ich versuche so zu leben, dass ich mich wohl fühle und happy bin. Meine Aufmerksamkeit ist nicht mehr darauf ausgerichtet, irgend welche Vorstellungen und Wünsche zu realisieren, sondern sie richtet sich mehr auf das Jetzt. Passen die Lebensgewohnheiten noch zu meinem Leben? Achte ich darauf meine Bedürfnisse zu erfüllen? Spüre ich meine Bedürfnisse?
Heilung ist für mich, wieder an Themen heran zu kommen, die mir mal wichtig waren und in den Hintergrund getreten sind. Heilung ist Freunde zu treffen, die ich lang nicht gesehen habe und neue Freunde zu finden. Heilung bringe ich auch mit Sanftsein zu mir selbst in Vebindung. Es ist mir wichtig das ich mich beim Sport wohlfühle. Wenn es mir gut geht, dann tut mir der Sport auch gut.
Transplantation ist eine Möglichkeit von Vielen
Mein Umfeld reagiert sehr häufig mit der Frage warum ich mich nicht transplantieren lasse. Das ist eigentlich immer die erste Reaktion. Das Krankheit zu einem besseren Leben führen kann, ist undenkbar. Ich empfinde dies genau anders herum. Mich hat die Erkrankung an Themen geführt, die ich als Gesunder nie genauer betrachtet hätte. Warum auch. So gesehen, kann jemand der Krankheitserfahrungen nicht gemacht hat, dies auch nicht verstehen. Eigentlich sind gesunde Menschen in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Thema Kranksein in Ihrer Wahrnehmung eingeschränkt. Sie haben ja auch keine Erfahrungen in diesem Bereich. Transplantation ist eine Option von vielen! Nicht jeder Mensch ist für eine Transplantation geeignet. Ich habe oft den Eindruck, dass die Meinung vorherrscht, dass nur ein „Bauteil“ (Organ) ausgetauscht werden muß und schon bist Du wieder gesund. Das ist ein ziemlicher Unfug. Die Krankheit ist immer noch da und schreitet fort. Wenn der Patient Glück hat, kann es sein das seine Lebensqualität zunimmt. Das ist aber leider nicht immer so.
Heilung findet statt, wenn ich mich mit meiner Erkrankung anfreunde und lerne sie zu verstehen. Es ist heilsam, genauer zu spüren, was mein Körper gerade benötigt und diesen Bedürfnissen auch unmitelbar nachgehen zu können.
Und letztlich ist es so, wie im Wald beobachtet. Der Baum wächst und gedeiht, wird groß und schön. Jedes Jahr aufs neue findet Leben statt. Mal satt und ereignisreich, mal dürr und trist. Doch die vielen Jahre des Lebens finden statt. Sind geschehen. Der Baum hat sich vervielfältigt und schickt seine Früchte in die Welt. Bietet Tieren und Kleinstlebewesen einen geschützten Lebensraum. Sein Leben hat einen Sinn. Irgendwann bricht ein Sturm den Stamm, oder reisst die Wurzel heraus, so dass sein Leben dem Ende zugeht. Selbst aus dem nun toten Stamm wird durch die Verwitterung neues Leben zugrundegelegt. Vorher holt sich ein Holzhandwerker hoffentlich ein Stück von seinem Holz. Der Kreis schließt sich. Aus dem verrotteten Material wächst neues Leben.
Heilung bedeutet für ich auch, die Tatsache zu akzepieren, dass mein Leben endlich ist. Im Hier und Jetzt habe ich keine Angst und brauche mir auch keine Sorgen um das Morgen machen. Im Verlauf meines Lebens habe ich wortwörtlich Teile meines Körpers verloren. Mein Körper bedarf nun teilweise eines Hilfsmittels, welches ein Weiterleben ermöglicht.
Mittels medizinischer Hilfsmittel kann ich gut leben.
Und mein Leben ist deshalb nicht schlechter. Ich habe immer noch Kraft und Energie. Spüre jetzt aber genauer wenn ich eine Pause brauche.
Hoffnung auf ein erfülltes Leben und Möglichkeit zufrieden alt zu werden.